Wussten Sie schon, dass der Schwarzwald auf den Resten eines über 5.000 Meter hohen Gebirges steht und dass diese Reste heute noch zu sehen sind? Wussten Sie schon, dass dank einer Rebe aus Amerika und dem Erfindergeist unserer Winzer der Weinbau in der Region überhaupt überleben konnte? Und wussten Sie schon, dass unsere heimischen Nadelbäume wahre Wellness-Wunder sind? Nein? ... dann begleiten sie uns in die unbekannte Welt des nördlichen- und mittleren Schwarzwalds.
Da sein Schwiegervater eine Kleinbrennerei betreibt, hatte er schon den ein- oder anderen Einblick in das Handwerk. Um dieses Grundwissen zu vertiefen, meldete er sich im März dieses Jahres für den einwöchigen „Lehr- und Fortbildungskurs für Klein- und Obstbrenner“ an der Universität Stuttgart-Hohenheim an. Die Universität Hohenheim hat schon Generationen von Kleinbrennern ihr Handwerk beigebracht. „Angehenden BrennerInnen fundierte Kenntnisse über die Herstellung von Spirituosen und über das Brennereiwesen zu vermitteln hat an unserer Uni eine langjährige Tradition“, erklärt Dr. Daniel Einfalt, stellvertretender Leiter des Fachgebiets Hefegenetik und Gärungstechnologie am Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie der Universität Hohenheim. Einfalt ist auch der Leiter des Brennerkurses und doziert den Großteil der theoretischen Unterrichtseinheiten. Unterstützt wird er vom Betriebsleiter der universitätseigenen Brennereien Oliver Reber, der die praktischen Unterrichtseinheiten durchführt.
In dem einwöchigen Kurs wird Stotz erfahren, welche Arten von Brennereien es gibt, wie hefebasierende Gärprozesse stattfinden, wie das begehrte Ethanol aus der Maische gewonnen wird, wie Brennanlagen aufgebaut sind und wie man sie benutzt und welche rechtlichen und zollrechtlichen Vorgaben es zu beachten gibt. Ebenso wird Stotz viel über heimische Obst- und Getreidesorten und deren spezifische Eigenschaften erlernen.
Nicht fehlen dürfen auch intensive „sensorische Übungen“, was bedeutet, dass man immer wieder verschiedenste Spirituosen unterschiedlichster Art und Gattung mit allen Sinnen probiert. Was sich nach einem sehr genussvollen und nach dem ein- oder anderen Gläschen vielleicht auch geselligen Übungseinheit anhört, hat aber einen wichtigen Hintergrund. Die Kursteilnehmer sollen darauf sensibilisiert werden, unterschiedliche Inhalte im Destillat erkennen und einzuordnen zu können. Dadurch ist ein Brenner später in der Lage, Vorlauf- und Nachlauf ziemlich exakt vom Mittellauf abzutrennen, um am Ende eine möglichst hohe Ausbeute an aromatischem Mittellauf gewinnen zu können. An dieser Stelle wurde auch gleich mit dem weit verbreiteten Mythos aufgeräumt, dass Vorlauf blind machen würde. Methanol, der ursächliche Stoff, der die besagte Blindheit hervorrufen kann, kommt in gesamten Brand in ungefähr gleicher Konzentration vor. Bei ordnungsgemäßem Brennen liegt diese Konzentration aber weit unter dem Wert, der Methanol im Destillat zur Gefahr werden lässt.
Gleich ersten Tag durften die Kursteilnehmer in der Lehrbrennerei eine Apfelmaische und eine Weizenmaische ansetzen. Während der Gärprozess der Apfelmaische ungefähr drei Wochen umfasst, benötigt die Weizenmaische dafür nur wenige Tage. Die Kursteilnehmer konnten also davon ausgehen, gegen Ende der Woche bereits ihre eigene Getreidemaische brennen zu können.
Anschließend wurde den Teilnehmern der Unterschied zwischen einer Abfindungs- und einer Verschlussbrennerei erklärt. Hintergrund für die zwei Brennereiarten ist die Bemessung des zu versteuerten Alkohols, der von der Brennerei neu hergestellt wird. Dabei geht es wohlgemerkt um die „neue“ Herstellung von Alkohol, also der Menge Alkohol, die aus Obst oder Getreide mittels Maischegärung und Destillation gewonnen wird. Bestehender Alkohol, der zum Beispiel durch Mazeration und erneutes Brennen weiterverarbeitet wird, wird als Feinbrand oder Geist bezeichnet und unterliegt keiner erneuten Steuerpflicht. Selbes gilt für Liköre, bei denen ein Grundalkohol durch Zusatz von Aromen und Zucker veredelt wird.
Bei der Abfindungsbrennerei handelt es sich um die typische Kleinbrennerei, wie sie vielmals im Schwarzwald zu finden ist. Die Art der Maische und der genaue Zeitpunkt des Brennens müssen im Vorfeld beim Zoll angemeldet und genehmigt werden. Dabei stellt die Art und Gattung des zu brennenden Obstes oder des Getreides, die Basis für die steuerliche Bemessung dar, da es hier gravierende Unterschiede in der Alkoholgewinnung gibt. So beträgt die Alkoholausbeute von Getreide zum Beispiel ein Vielfaches wie die von Obst. Ebenso ist die Menge des jährlich neu erzeugten Alkohols auf 300 Liter begrenzt. Damit hier alles richtig läuft, stattet der Zoll Abfindungsbrennereien in regelmäßigen Abständen unangemeldeten Besuch ab und verschafft sich umfassende Einblicke in alle Abläufe der Brennerei.
Brennereien, denen die Produktion von 300 Litern neu erzeugten Alkohols im Jahr zu wenig ist oder die nicht nur die zugelassenen Rohstoffe für Abfindungsbrennereien verarbeiten wollen, setzen auf die sogenannte Verschlussbrennerei. Wie es der Name erahnen lässt, ist hier die gesamte Anlage verschlossen und verplombt, so dass zu keiner Entnahme unversteuerten Alkohols kommen kann. Mittels einer Messuhr wird der produzierte Alkohol erfasst und erst danach kann er von der Brennerei aus der Anlage entnommen werden. Da bei der Anschaffung einer solchen Anlage in der Regel ein sechsstelliger Betrag investiert werden muss, ist sie bei den regionalen Kleinbrennern eher selten anzutreffen.
Wer also heute plant, nebenberuflich oder als Hobby eine Kleinbrennerei zu betreiben, wird sich in den meisten Fällen für eine Abfindungsbrennerei entscheiden. Das rührt auch daher, dass es sich bei den meisten Brennereien in der Region, die in den Familien an die nächste Generation übergeben werden, um Abfindungsbrennereien handelt. Doch hier gab es zum 1. Januar 2018 eine weitreichende Reform des Alkoholsteuerrechts. Das historische Bestandsprivileg der Abfindungsbrennereien in den südwestdeutschen Regionen wurde für das gesamte Bundesgebiet freigegeben. Dem fiel jedoch gleichzeitig das Privileg zum Opfer, bestehende Brennrechte einfach auf Betriebsnachfolger in der Familie zu übergeben. Das neue Recht sieht vor, dass „Brenngenehmigungen“, wie sie fortan heißen, nur noch personen- und nichtmehr betriebsbezogen sind.
Das hat zur Folge, dass nun jeder eine Brenngenehmigung bekommen kann. Allerdings ist daran eine Voraussetzung geknüpft. Die Person, die das Brennrecht beantragt, muss drei Hektar bewirtschaftetes Land vorweißen können. Ausnahmen bilden intensiv bewirtschaftete Obst- oder Weinbauflächen. Hier bedarf es nur eineinhalb Hektar. Nachfolgen innerhalb der Familie werden dennoch gefördert. Bei einer Erbfolge muss nur ein Viertel der genannten Flächen nachgewiesen werden.
Doch zurück zum Kurs an der Uni Hohenheim. Nachdem die Teilnehmer umfassende Einblicke in die verschiedenen Gärverfahren, die Wirkung von Hefen und Enzymen, Verzuckerungsformen, Esthern, Säuren und Fuselalkoholen bekommen haben, ging es um die Technik der Brennanlagen. Hier zeigte sich, welch große Unterschiede es hierbei gibt. Technische Ausstattungselemente wie Mehrfach-Verstärkerkolonnen, Dephlegmatoren, Katalysatoren und Selbstreinigungsanlagen machen nicht nur das Brennen einfacher und effektiver, sie wirken sich auch unmittelbar auf die Qualität des Destillats aus. Denn sie helfen dabei den unbeliebten Vor- und Nachlauf noch in der Anlage sauber vom begehrten Mittellauf abzutrennen, ohne das Aroma des Ausgangsrohstoffes zu beeinträchtigen. Ebenso helfen sie teils gesundheitsschädliche Nebenprodukte des Verarbeitungsprozesses wie Ethylcarbamat oder Methanol auf ein Minimum zu reduzieren.
Um das zu praxisnah zu veranschaulichen, ging es nun in der Lehrbrennerei ans Brennen der Maischen. Die Universität Hohenheim verfügt über mehrere Brennanlagen unterschiedlicher Hersteller. Die Maischen wurden in verschiedenen Brennanlagen gebrannt während Vertreter der Hersteller dabei waren, um den Teilnehmern für Fragen zu ihrer Anlage Auskunft zu geben. Dadurch konnten die Kursteilnehmer den aktuellen Stand der Technik sehr gut kennenlernen und einschätzen, welche Anlage mit welcher Ausstattung was Leisten kann.
Abgerundet wurde der Kurs durch Vorträge von Jürgen Fritz, landwirtschaftlicher Brennmeister an der staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg, der den Teilnehmern die betriebswirtschaftlichen Aspekte einer Kleinbrennerei näherbrachte sowie durch Dr. Michael Heil von der Firma Schliessmann Kellerei Chemie, der anhand chemischer Experimente verschiedene Analyseverfahren zur Beurteilung von Obst, Maischen und Destillaten aufzeigte.
„Es war eine unheimlich interessante und kurzweilige Woche, in der ich unheimlich viel gelernt habe“ resümiert unser Schwarzwald-Guide Nicolai Stotz. Auf die Frage wie es denn nun für ihn weitergehe meint er „Ich habe für den Sommer bereits Kirschen in der Ortenau bestellt. Mit Unterstützung meines Schwiegervaters möchte ich mich dann an der Herstellung eines Schwarzwälder Kirschwassers versuchen“. Grund für das Kirschwasser sei, dass Kirschen ganz einfach das früheste regionale Obst sind, das reif wird. Und er möchte natürlich so schnell wie möglich eigene Brennerfahrung sammeln, wenn er seine Zukunft als Brenner auch mehr bei Äpfeln und Birnen sieht. Denn es war ja der Erhalt der Streuobstwiesen, um den es ihm ursprünglich ging. „Vielleicht kann ich Besitzer von Streuobstwiesen mit meiner Arbeit etwas dazu ermutigen, ihr Obst aufzulesen und in eine Brennerei zu bringen, um daraus ein großartiges, regionales Produkt herstellen zu lassen“ meint Stotz.